Sondertilgung bei Immobilienfinanzierung oder lieber investieren?
Sollte man freies Kapital zur Sondertilgung des Immobilienkredits verwenden – oder doch lieber in ETFs, Aktien oder Anleihen investieren? Diese Frage stellen sich viele Eigentümer und Kapitalanleger, die mit ihrem Geld möglichst effizient Vermögen aufbauen möchten. In diesem Artikel beleuchten wir beide Strategien im Detail, analysieren die Vor- und Nachteile und stellen Beispielrechnungen auf Basis realistischer Annahmen gegenüber.
1. Was ist eine Sondertilgung?
Unter Sondertilgung versteht man die Möglichkeit, zusätzlich zur regulären Annuitätenrate außerplanmäßige Rückzahlungen auf das Immobiliendarlehen zu leisten. Viele Banken ermöglichen Sondertilgungen zwischen 5 % und 10 % des Ursprungsdarlehens pro Jahr – meist kostenlos und innerhalb der Zinsbindung.
Ziel ist eine schnellere Entschuldung, weniger gezahlte Zinsen und unter Umständen eine schnellere Umschuldung oder vollständige Tilgung des Darlehens.
2. Die Alternativen: Investition in ETF, Aktien oder Anleihen
Statt einer Sondertilgung kann freies Kapital auch gewinnbringend investiert werden, z. B. in:
- ETFs (börsengehandelte Indexfonds)
- Einzelaktien (mit höherem Risiko und Potenzial)
- Rentenpapiere und Anleihen
- Immobilienfonds oder REITs
Diese Investitionen können langfristig eine höhere Rendite erzielen als die Zinsersparnis einer Sondertilgung – bergen jedoch auch ein Risiko.
3. Sondertilgung: Vorteile und Nachteile
Vorteile:
- Sichere Rendite in Höhe des Darlehenszinses
- Reduzierung der Restschuld
- Verringerung der Zinskosten insgesamt
- Höhere Unabhängigkeit von Zinsentwicklungen
Nachteile:
- Geringere Liquidität
- Kein Zugriff auf das gebundene Kapital
- Verpasste Chancen bei höheren Renditen am Kapitalmarkt
4. Investition in ETFs & Co.: Vorteile und Nachteile
Vorteile:
- Langfristig oft höhere Renditen als Kreditzinsen
- Hohe Flexibilität und Verfügbarkeit
- Steuerfreier Verkauf nach Haltefrist (bei Altbeständen)
Nachteile:
- Marktrisiko und Schwankungen
- Keine sichere „Rendite“ wie bei Zinsersparnis
- Psychologische Belastung bei Börsenturbulenzen
5. Beispielrechnung: Sondertilgung vs. ETF-Investition
Angenommen, ein Darlehen über 300.000 € mit 2,5 % Zins, 2 % Tilgung, 20 Jahre Laufzeit. Es steht ein freier Betrag von 10.000 € zur Verfügung.
Variante A: Sondertilgung
- Durch Sondertilgung von 10.000 € sinkt die Restschuld früher
- Gesparte Zinsen über Laufzeit: ca. 5.000 €
- Vorteil: sicher, planbar, kein Risiko
Variante B: ETF-Investition
10.000 € werden in einen weltweit gestreuten ETF investiert.
- Bei 4 % Jahresrendite nach 20 Jahren: ca. 21.900 €
- Bei 6 % Jahresrendite: ca. 32.100 €
- Abzüglich Kapitalertragsteuer (ca. 26,375 %): Renditevorteil bleibt deutlich höher als die Zinsersparnis
6. Was ist der Break-Even-Zinssatz?
Der Break-Even-Zinssatz beschreibt den Punkt, an dem sich die Investition mehr lohnt als die Tilgung. Als Faustregel gilt:
Wenn die erwartete Nettorendite Ihrer Geldanlage den effektiven Kreditzins übersteigt, lohnt sich die Investition eher.
Beispiel: Kredit mit 2,5 % Zins → ETF muss nach Steuern mindestens 3,5–4 % netto erwirtschaften, um sinnvoller zu sein als Tilgung.
7. Weitere Beispielrechnungen (vereinfacht)
Anlageform | Durchschnittliche Bruttorendite | Vermögen nach 20 Jahren (bei 10.000 €) | Risiko |
---|---|---|---|
Sondertilgung (Zinsersparnis) | 2,5 % | ≈ 15.900 € (inkl. Tilgungswirkung) | Sehr gering |
ETF (Weltaktien) | 6 % | ≈ 32.100 € | Mittel |
Aktien (Einzeltitel) | 8–10 % | ≈ 46.600 € | Hoch |
Anleihen (Staats-/Unternehmensanleihen) | 2–4 % | ≈ 15.000 – 22.000 € | Niedrig bis Mittel |
REITs / Immobilienfonds | 4–6 % | ≈ 21.900 – 32.100 € | Mittel |
8. Steuerliche Betrachtung
Die Renditen aus Kapitalanlagen unterliegen in Deutschland der Kapitalertragsteuer (25 % + Soli und ggf. Kirchensteuer). Bei Sondertilgung sparen Sie sich dagegen
Freistellungsaufträge bis 1.000 € p.a. (bzw. 2.000 € bei Ehepaaren) können Zinsgewinne steuerfrei halten. Dennoch muss eine Netto-Überrendite vorliegen, damit Investieren sinnvoller als Tilgen ist.
9. Psychologische Aspekte
Die Entscheidung ist nicht rein mathematisch – auch das persönliche Sicherheitsbedürfnis spielt eine Rolle:
- Wer sich mit Schulden unwohl fühlt, wird die Tilgung bevorzugen.
- Wer langfristig denkt und Schwankungen aushalten kann, profitiert häufig von der Kapitalanlage.
- Manche kombinieren beides: ein Teil fließt in ETFs, ein Teil in Sondertilgung.
Es gibt keine pauschal richtige Antwort. Vielmehr kommt es auf individuelle Faktoren an:
- Wie hoch ist der Zinssatz des Darlehens?
- Wie lange läuft die Zinsbindung noch?
- Wie risikofreudig bin ich?
- Benötige ich Liquidität?
- Was ist mein Anlagehorizont?
Bei sehr günstigen Krediten (unter 2 %) und langfristigem Anlagehorizont spricht vieles für die Investition. Bei hohen Zinsen oder Sicherheitsfokus ist die Sondertilgung vorteilhaft. Letztlich gilt: Wer beides klug kombiniert, fährt meist am besten.